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Frauen-Herzen ticken anders...

(25.05.2021)

MVZ-Kardiologie am Klinikum Straubing berücksichtigt Geschlechterunterschiede – Nach Menopause steigt Risiko für Herzinfarkt – Frauen halten Herzbeschwerden länger aus

„Ich brech die Herzen der stolzesten Frauen.“ Ebenso wie Heinz Rühmann kennt sich auch Dr. Ilinca Ghidau, Ärztliche Leiterin des MVZ Kardiologie am Klinikum Straubing, mit Frauen-Herzen sehr gut aus – jedoch in medizinischer Sicht. Dass deren Herzen anders ticken als die von Männern, weiß Dr. Ilinca Ghidau aus Forschung und Praxis. Aufgrund der Unterschiede liegt ihr eine geschlechterspezifische Behandlung ihrer Patienten ebenso am Herzen wie das Thema Vorbeugung: „Streben Sie um jeden Preis einen gesunden Lebensstil an – egal wie groß der Alltagsstress ist.“ Wir sprachen mit der Kardiologin über den gar nicht so kleinen Unterschied zwischen Mann und Frau bei Herzerkrankungen.

Herzerkrankungen sind Männersache, stimmt das?

Dr. Ilinca Ghidau: Nein, das stimmt natürlich nicht. Herzinfarkte treten allerdings bei Frauen etwa zehn Jahre später auf als bei Männern. Das liegt daran, dass Frauen aufgrund ihrer weiblichen Geschlechtshormone länger geschützt sind und die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen erst nach der Menopause ansteigt. In den vergangenen Jahren hat sich das Bild allerdings gewandelt: Auch Frauen ab den 40er Jahren sind verstärkt betroffen. Tatsächlich wurden Frauen früher weniger in Studien zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingebunden, was dann zu einer schlechteren Datenlage führte und zu der falschen Nachricht beigetragen hat, Herzerkrankungen sind Männersache. In den vergangenen Jahren ist das wissenschaftliche Interesse an Frauen gewachsen.

Warum sind heute auch Frauen ab 40 Jahren verstärkt von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen?

Dr. Ilinca Ghidau: Hierfür spielt ein ungesunder Lebensstil eine große Rolle. Die üblichen Risikofaktoren wie Stress, Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes wirken sich bei Frauen stärker aus als bei Männern. Sie führen zu einem drei- bis sechsfach höheren Anstieg an Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Wie unterscheiden sich Herz-Erkrankungen bei Frauen und Männern?

Dr. Ilinca Ghidau: Frauen haben andere Beschwerden als Männer. Die Symptome sind oft diffus und unspezifisch. Frauen mit Herzkranzgefäßerkrankung klagen beispielsweise über Schmerzen in der Magengegend, Rückenschmerzen, Müdigkeit und Beklemmung. Wegen häufig untypischer Symptome ist auch die Diagnostik schwieriger. In der Folge sterben Frauen häufiger am ersten Herzinfarkt als Männer.

Welche drei Herzerkrankungen sind bei Frauen am häufigsten verbreitet?

Dr. Ilinca Ghidau: Das sind Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Bluthochdruck-Herz und Vorhofflimmern. Bei Erkrankungen der Herzkranzgefäße haben Frauen eher Beschwerden in der Magengegend, am Rücken und Unterkiefer, sie klagen über Leistungsminderung und Müdigkeit, während Männer meistens die klassischen Brustschmerzen haben. Das Bluthochdruck-Herz führt zu Herzschwäche. Das Herz tut sich schwer, zu entspannen, und leistet mühsame Arbeit. Das kann zu Luftnot und Wassereinlagerungen führen. Vorhofflimmern verläuft bei Frauen problematischer als bei Männern und ist auch schwieriger zu behandeln. Schlimmste Folge ist der Schlaganfall.

Bei welchen Beschwerden sollten Frauen zum Arzt zu gehen?

Dr. Ilinca Ghidau: Symptome wie Luftnot, Wassereinlagerungen, Leistungsminderung, Herzrasen und Herzstolpern sowie Schwindel sollte man abklären lassen. Am häufigsten führen Luftnot und Leistungsminderung Patientinnen in meine Praxis. Ich rate Frauen, lieber frühzeitig zum Arzt zu gehen, als abzuwarten. Frauen halten die Beschwerden länger aus. Auch das unterscheidet sie von Männern.

Welche Risikofaktoren für Herzerkrankungen gibt es und wie kann man Herzerkrankungen vorbeugen?

Dr. Ilinca Ghidau: Zum einen gibt es die genetische Veranlagung und das Alter, die man nicht selbst beeinflussen kann. Den Lebensstil dagegen hat jeder selbst in der Hand. Übergewicht, Fehlernährung, Bewegungsmangel, Rauchen und Stress sind Schrauben, an denen gedreht werden muss. Gerade der Bewegungsmangel ist ein Riesenproblem. Mit einem gesunden Leben kann man Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Was den Sport angeht sind viele Menschen auf das Fitness-Studio fixiert. Doch Sport kann man überall treiben, auch zu Hause. Man muss nur den Willen dazu haben und den Start schaffen. Eine ausgewogene Ernährung, ausreichend trinken und ausreichend Schlaf sind weitere gute Schritte, Herzerkrankungen vorzubeugen. Ich weiß von Leuten mit Herzerkrankungen, die dank einer radikalen Lebensstil-Änderung keine Tabletten mehr einnehmen müssen. Frauen rate ich, den regelmäßigen Check-Up beim Hausarzt wahrzunehmen und ab den Wechseljahren den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren.

Welche Untersuchungen schaffen bei Verdacht auf Herz-Erkrankungen Klarheit?

Dr. Ilinca Ghidau: Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Bei Bedarf weiß er, welcher Facharzt die Beschwerden abklären kann. Der Kardiologe macht Basis-Untersuchungen wie EKG, Herz-Ultraschall, Belastungs- und Langzeit-EKG, Untersuchung der Halsschlagader – ob sich an den Gefäßen Ablagerungen gebildet haben – und Blutdruckmessung. Zur Beantwortung weiterer Fragen gibt es Herz-Szintigramm, Herz-Computertomographie, Herz-Kernspintomographie und Herz-Ultraschall unter Belastung (Stress-Echo). Bei der Herzkatheter-Untersuchung werden die Herzkranzgefäße dargestellt. Bereits während der Untersuchung kann eine Behandlung mit Stents erfolgen. -urs-