Methoden und Techniken
Linearbeschleuniger: Strahlentherapie in tiefer Einatmung (Deep Inspiration Breath Hold, DIBH)
Die Strahlentherapie des linksseitigen Mammakarzinoms in tiefer Einatmung
Ein neues, innovatives Verfahren zur Senkung der kardialen Dosisbelastung
Die Strahlentherapie am MVZ des Klinikums Straubing GmbH verfügt über einen Linearbeschleuniger, mit dem moderne Bestrahlungstechniken wie die IMRT (Intensitätsmodulierte Radiotherapie) oder die VMAT (Volumenmodulierte Strahlentherapie) möglich sind. Zusätzlich ist ein Verfahren implementiert, mit dem die Strahlendosis am Herz reduziert werden kann. Mit dem verwendeten System ist eine Strahlentherapie in tiefer Einatmung möglich, im Fachbegriff DIBH genannt, Deep Inspiration Breath Hold.
Dieses Verfahren wurde vor wenigen Jahren in Straubing eingeführt und hat sich mittlerweile in der Region mehr und mehr durchgesetzt. Zuvor konnten jüngere Studien zeigen, dass nach einer herkömmlichen Bestrahlung des linksseitigen Mammakarzinoms Patientinnen nach einer Latenz von 5 bis 10 Jahren eine erhöhte Rate von kardialen Ereignissen aufweisen. Erkranken Patientinnen an den kardialen Folgen einer Bestrahlung, schmälert das den maximal möglichen Nutzen der Strahlentherapie.
Drastische Reduzierung der Strahlendosis am Herzen durch die Bestrahlung in tiefer Einatmung
Bei tiefer Einatmung flachen sich die Zwerchfelle ab und das Herz mit seinen Koronargefäßen entfernt sich von der Thoraxwand. Durch die Bestrahlung in tiefer Einatmung kann die Strahlendosis am Herzen drastisch reduziert werden. Bei dem im MVZ verwendeten System wird die Oberfläche der Patientin in Real-Time sichtbar gemacht. Mit dem System können Abweichungen der Oberfläche im mm Bereich detektiert werden (< 3mm). Die optimale Lage der Patientin erreicht man durch eine Korrektur der Tischposition und/oder der Lage der Patientin, bis alle rote Fehlerbalken am Monitor verschwinden.
Die Bestrahlung wird bei der Inspirationsbestrahlung von der/dem MTA ausgelöst, wenn das System eine tiefe Einatmung bei der Patientin wahrnimmt. Zeigt das das System, dass die Patientin wieder ausatmet, stoppt die/der MTA die Bestrahlung. Das eingesetzte optische Trackingsystem trägt den Namen Align RT (Firma Vision RT Ltd., London UK). Es beruht auf der Emission von rotem Licht. Dies ist völlig unschädlich ist und kann während jeder Bestrahlung kontinuierlich verwendet werden. Dadurch ist es möglich, die Bestrahlung ausschließlich in Inspiration durchzuführen.
Um die Inspirationsbestrahlung zu planen, sind zwei CT Datensätze erforderlich, einer in Atemmittelage, der andere in Inspiration. Wenn die/der Ärztin*Arzt beide CT Sätze vergleicht, kann sie*er entscheiden ob eine Inspirationsbestrahlung möglich sein wird. Als Kennzahl dient die Distanz zwischen der Herzspitze und der Thoraxwand, ferner die maximale Zwerchfellbeweglichkeit. Letztere kann einfach optisch ermittelt werden. Die Planung der Inspirationsbestrahlung folgt prinzipiell den gleichen Regeln wie jede andere Bestrahlung. Die Dosisbelastung des Herzens kann anhand von DVH’s (Dosis -Volumen- Histogrammen) errechnet werden. Durch Optimierungsprozesse wird die kardiale Dosisbelastung entsprechend minimiert. Dafür sind von der Ärztin oder dem Arzt wesentlich mehr Risikoorgane einzuzeichnen als sonst üblich. Wenn die vordere Koronararterie einzeichnet wird, muss wegen der Beweglichkeit der Koronararterie ein Saum von 5 mm hinzugefügt werden.
Das System zum optischen Tracking wird bei linksseitigem Mammakarzinom fast immer eigesetzt und manchmal beim rechtsseitigen Mammakarzinom, wenn zum Beispiel der parasternale Lymphabfluss mit bestrahlt wird. Durch die Inspirationsbestrahlung wird nicht nur das Herz, sondern auch die Lunge und die Leber geschont, was bei entsprechender pulmonaler und/oder hepatischer Vorerkrankung Berücksichtigung finden kann.
Für die Inspirationsbestrahlung ist die Mitarbeit der Patientin erforderlich. Auch der Arbeitsaufwand der MTA, der Physikerin und der Ärztin sind etwa um den Faktor 2 erhöht. Deshalb müssen Patientinnen für dieses Verfahren sorgfältig selektiert werden. Dies beginnt bereits im Arztgespräch, wo die maximale Dauer der Inspiration geprüft wird. Diese sollte mindestens 20 sec betragen. Die weitere Selektierung basiert auf der Analyse der Planungs- CT’s wie bereits erwähnt. Wenn eine Inspirationsbestrahlung nicht möglich ist, wird eine VMAT Bestrahlung geplant, um die Strahlenbelastung am Herzen zu minimieren. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein fixierter Zwerchfellhochstand links vorliegt.
Weil die Fraktionsdauer durch die Inspirationsbestrahlung etwa verdoppelt wird, wird versucht, möglichst wenige Felder zu verwenden. Auch wenn schon heute die kardiale Strahlendosis gesenkt werden kann, liegen noch keine klinischen Daten darüber vor, wieweit dadurch die Toxizität gesenkt werden kann.
Das beschriebene Trackingsystem wird mittlerweile auch für andere Bestrahlungen herangezogen, um die Lagerung zu optimieren, so zum Beispiel im Abdomen, im Becken und bei der Behandlung von Extremitäten. Die Anwendungen werden unter dem Begriff Oberflächen-geführte Radiotherapie (SGRT) summiert.
Einziger Nachteil der Inspirationsbestrahlung ist derzeit noch die höhere Fraktionsdauer. Dieser Nachteil wird aber durch den effektiven Schutz des Herzen mehr als aufgewogen. - PD. Dr. Christof Schäfer